Hopp, hopp, hopp! – Von der Kunst des Durchhaltens

Simone Hüttl nimmt ein kaltes Bad nach einem Rennen.

Simone Hüttl nimmt ein kaltes Bad nach einem Rennen.

Im Leben stößt man immer wieder an Grenzen: auf Reisen, bei der Promillezahl, beim Körpergewicht. Grenzen zeigen einem, dass es – zumindest auf den ersten Blick – nicht weitergeht. In vielen Fällen geht aber (leider, vgl. Körpergewicht) immer noch was. Im Sport will man regelmäßig neue Grenzen entdecken und diese auch überwinden. Sportler lassen sich deshalb von ersten Warnschildern nicht abschrecken. Sie kennen ihre Körper, ihre Stärken und Schwächen und nehmen Herausforderungen freudig an – auch wenn es wehtun kann. Woher kommt dieses Durchhaltevermögen? Ich habe drei Sportler getroffen und mich aus ihrem Nähkästchen bedient: Simone Hüttl, Philipp Sand und Stefan Spiegl.

Simone Hüttl lebt in Weißenburg, lacht gerne und arbeitet in Nürnberg. So viel zu unseren Gemeinsamkeiten. Denn was ich in den nächsten Wochen vorhabe, kann man mit ihrer sportlichen Orientierung bei Weitem nicht vergleichen. Simone läuft Langstrecke und betreibt sogenanntes Trailrunning, also Läufe auch einmal abseits von befestigten Straßen. Manchmal kommen so Strecken zusammen, die eine Marathondistanz zum Teil deutlich übersteigen.

„Sport ist mein Leben, meine Sucht“, sagt mir Simone und ich nehme es ihr sofort ab. Sie läuft Halbmarathon, Marathon (bei der 119. Ausgabe des ältesten Marathons in Boston war sie dieses Jahr selbstverständlich dabei), Triathlon olympisch und Langdistanz, sie war beim Inferno dabei, einem der härtesten Triathlons mit 3,1 km Schwimmen, 90 km Rennrad, 30 km Mountainbike, 25 km Berglauf hinauf zum Schilthorn im Berner Oberland (www.inferno.ch). Simone hat beim Ultramallorca (ultramallorca.com) die Serra de Tramuntana von Süden nach Norden in rund 20 Stunden überquert, auf 123 km Gran Canaria erkundet (www.transgrancanaria.com), dort in der Kurzdistanz über 30 km den 3. Platz gemacht und hat die kanarische Insel La Palma überquert (www.transvulcania.com). „Man läuft bei diesen Ultras immer einmal quer über eine Insel oder über ein Gebirge und sieht da in kurzer Seit so unglaublich viel. Wenn man dann durchs Ziel läuft, ist das ein unglaubliches Glücksgefühl“, sagt mir Simone. Sie stand bereits zwei Mal beim Zeiler Waldmarathon ganz oben auf dem Treppchen, im letzten Jahr hat sie dann auch den Marathon am Brombachsee gewonnen. „Das war so schön! Daheim ist es halt doch am besten.“

Philipp Sand beim Challenge Roth 2014. Foto: marathon-photos.com

Philipp Sand beim Challenge Roth 2014. Foto: marathon-photos.com

2015 hat für Simone bereits sehr gut begonnen: Sie läuft ab sofort unter ihrem Sponsor Buff Headwear. Geplant sind in diesem Jahr unter anderem der epictrail in den Pyrenäen (www.buffepictrail.com), die 60 km des Zugspitztrails, der 80 km langen Montblanclauf, der Straßenmarathon in Berlin und eventuell der Transalpinerun. „Ich würde gerne in Japan den Mount-Fuji-Lauf machen, am Western States oder Badwater in den USA teilnehmen, aber da braucht man Glück, um einen Platz zu bekommen“, sagt mir Simone und berichtet nebenbei, dass ein Freund von ihr Selbstverpflegungsläufe durch die Wüste macht. Es klingt schon fast so wie ein Plan.

Philipp Sand aus Ellingen kenne ich seit vielen Jahren, allerdings eher aus dem Musikbereich. Sport treibt er schon immer: Seit Kindertagen spielt er Fußball und ist seit einigen Jahren begeisterter Triathlet. Sein Training pro Woche beläuft sich derzeit auf ca. 14 Stunden ganz nach Trainingsplan, um sich nach 2014 wieder gut für seine zweite Teilnahme am Challenge in Roth vorzubereiten. „Mich hat ein wenig das Triathlon-Fieber gepackt“, gesteht Philipp und erzählt, dass er auch die Halbdistanz in Ingolstadt und eventuell den Rothsee Triathlon machen möchte. „Vielleicht laufe ich auch irgendwo noch einen Halbmarathon, je nachdem, wie ich mich motivieren kann.“

Stefan Spiegl war auch in den USA auf Marathonläufen

Stefan Spiegl war auch in den USA auf Marathonläufen

Stefan Spiegl ist mein Schwager und genießt derzeit mit meiner Schwester und den beiden Söhnen das Leben in Frankreich und die idealen Trainingsmöglichkeiten dort. Er hat bereits vieles gemacht: Marathon, Triathlon (Challenge Roth) und eine Alpenüberquerung mit dem Mountainbike. Nach einigen gesundheitlichen Rückschlägen konzentriert sich Stefan derzeit auf das Radfahren. So fährt er die tägliche Strecke zur Arbeit nicht auf direktem Weg – das wären rund acht Kilometer -, sondern nutzt die Zeit, um eine kleine Trainingseinheit von 25 Kilometern einzuschieben.

Wenn er am Wochenende morgens zu einer „schnellen“ 80-Kilometer-Tour in das Massif des Maures aufbricht, kann es schon einmal sein, dass er pünktlich zu einem späten Frühstück wieder zu Hause ist.

Derzeit plant er eine Radtour zum Mont Ventoux. Leider werden wir uns nicht auf dem Weg zum Gipfel treffen, da er bereits im Mai unterwegs sein wird und ich dort erst Ende Juni aufschlagen werde. Ein „Quäl dich, du Sau“ hätte ich ihm gerne zugerufen. Man kann halt nicht alles haben.

Für mich steht also fest: Wenn jemand etwas vom Durchhalten versteht, dann die drei und ich beginne meine Fragen zu stellen. „Ich hab keine Ahnung, wie ich das schaffe“, ist der ernüchternde Einstieg von Simone. Aber sie weiß es doch: „Der Wille ist elementar, um ein Projekt durchzustehen.“ Sie zitiert Victor Hugo: Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.

Was sollte man denn beachten, bevor man zu einer Etappe aufbricht?

Simone: Man sollte trainiert sein und nicht von null auf 100 einen „Ultra“ starten. Wenn man sich wie ich ein halbes Leben oder länger mit Sport beschäftigt, dann ist ein Wechsel zwischen den Sportarten, z. B. von Kurz- auf Langdsitanz oder vom Laufen zum Triathlon, Bergsteigen oder Klettern oder Mountainbike, nicht das große Problem. Der Ablauf im Kopf ist immer ähnlich und die Belastung im Körper eigentlich auch, nur werden andere Muskelgruppen beansprucht. Aufwärmen bzw. Warmlaufen ist wichtig, wenn es sich um kürzere Distanzen handelt. Bei „Ultras“ mache ich das so gut wie nicht, da ergibt sich die Aufwärmphase von selbst beim Wettkampf durch das langsame Angehen.

Philipp: Ich wärme mich eigentlich nie auf. Ich starte einfach und fahre bzw. laufe die ersten Kilometer eher locker.

Wie kann man den Körper nach einer Wanderung vor Schmerzen bewahren? Hilft da Dehnen?

Simone: Ich nehme immer kaltes Wasser. Am liebsten einen Eiswassertrog wie in der Sauna. Das soll gut für die Muskeln sein und gegen Muskelkater wirken. Natürlich reicht auch schon das kalte Abbrausen der Beine in der Dusche. Wichtig: von unten nach oben, also immer zum Herzen hin! Dann nehme ich eigentlich nur noch Franzbranntwein, Aloe Heat Lotion oder dul-x. Sollten Rücken und Hüfte schmerzen, so ist dies meist ein Zeichen von zu wenig Stabilität in der Körpermitte. Dagegen hilft am besten Yoga oder Krafttraining.

Philipp: Hm, vor Schmerzen bewahren ist schwierig. Ich dusche nach Einheiten immer so, wie es für mich angenehm ist. Man muss sich ja wohlfühlen! Dehnen ist für mich sehr wichtig. Allerdings sollte man sich nach aktuellen Studien nicht direkt nach einer harten Einheit oder davor dehnen. Am besten ist es an einem Ruhetag oder wenn du keine extreme Belastung hattest. Den Gesäßmuskel nicht vergessen! Der beeinflusst das Laufen mehr als du denkst. Wenn’s schmerzt, dann trainiere ich etwas weniger oder gar nicht. Notfalls nehme ich für ein bis zwei Tage Voltaren Resinat. Meistens sind es „nur“ Entzündungen und die bekommt man so schnell weg.

Stefan: Ich halte nicht viel vom Dehnen – weder vor noch nach der körperlichen Belastung. Ich gönne mir und vor allem meinem Körper eine kalte Dusche. Vor allem konzentriere ich mich dabei auf die Beine. Was das Thema Schmerzen betrifft: Die gehören einfach dazu!

Welche Tipps habt ihr zum Thema Ernährung?

Simone: Ich esse normal und wenig Gel oder Riegel. Mein Magen versagt sonst. Ich setze auf leichte Kost wie Suppe, Salat, Reis und wenig schweres Essen. Das fällt mir leicht: Ich lebe vegetarisch. Ich trinke gerne Isogetränke zum Schutz vor Krämpfen und werde da von meiner Freundin und Ernährungsexpertin Karrie aus Kanada mit Isagenix International versorgt. Die Firma macht wenig mit künstlichen und viel mit natürlichen Zusatzstoffen. Dadurch wird der Körper mit allen wichtigen Mineralien wie Eisen, Magnesium, Kalzium usw. versorgt. Außerdem ist Schlafen für mich vor, während (bei Ultras) und nach Wettkämpfen die Energiequelle Nummer eins – körperlich und geistig!

Philipp: Zum Hungerast, also Zittern, sollte es nicht kommen. Das wird dann schwierig, wieder in die Gänge zu kommen. Beim Challenge musste ich mich zwingen, alle 20 Minuten einen halben Riegel und Gel im Wechsel zu essen, weil ich schon vorgegessen habe für den Marathonlauf. Ansonsten esse ich am Morgen viele Kohlenhydrate, mittags esse ich normal und am Abend eher weniger, dafür eiweißreich, damit die Muskeln nachts „Material“ zum Regenerieren haben. Ich trinke zudem regelmäßig Wasser mit kleingeschnittenem oder geriebenem Ingwer. Der ist nachweislich ein Entzündungshemmer und ich hab das Gefühl, dass es stimmt.

Stefan: Wenn der Körper unterwegs nicht mehr will, der Kreislauf zum Beispiel zusammensackt, dann sollte man sich bloß nicht verrückt machen. Man braucht in dieser Situation einen klaren Verstand. Am besten ist es, wenn man pausiert. Und man sollte nicht auf Biegen und Brechen mit Schmerzen laufen – ausgenommen ist natürlich ein Muskelkater. Bei der Ernährung setze ich auf Kohlenhydrate und wenig Alkohol.

Wie schafft ihr eure enormen Distanzen ohne aufzugeben?

Simone: Motivation hab ich beispielsweise bei meiner Überquerung von La Réunion durch die aufbauende Begegnung mit einem Mitkämpfer erfahren. Außerdem ist Ablenkung das halbe Leben: Musik und Unterhaltung mit anderen funktionieren gut. Man bringt sich so auf andere Gedanken und beschäftigt sich nicht ständig mit dem Hunger, der Blase oder irgendwelchen anderen Schmerzen. Es gehört natürlich auch Disziplin dazu. Ich persönlich hasse es aufzugeben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuhören oder auszusteigen. Dieses Gefühl ist für mich noch schlimmer als Schmerzen. Wichtig ist auch, dass man sich nicht die Sinnfrage stellt. Wenn man das tut, dann kann man gleich zu Hause bleiben. Denn was macht im Leben schon einen Sinn? Jeden Tag in die Arbeit zu fahren und zu malochen?

Philipp: Ja, die liebe Motivation. Letztes Jahr hatte ich von Ende April bis Mitte Mai einen Durchhänger und konnte mich kaum zum Training motivieren. Geholfen hat, sich auf das Ziel des Trainings zu fokussieren. Positive Erlebnisse geben immer gleich Auftrieb.

Stefan: Man sollte den Weg immer als Ziel vor Augen haben. Auch hilft es, von Anfang an mit Höhen und Tiefen zu rechnen. Denn die werden kommen, das ist sicher! Der erste Teil einer längeren Radtour ist immer am härtesten: Da zieht mir immer die Muskulatur, schlimm ist es vor allem nach Pausen. Deshalb fahre ich die meisten Kilometer bereits am Vormittag, also vor einer längeren Pause. Am besten 70 Prozent am Vormittag, 30 Prozent am Nachmittag. Außerdem sollte man nie vergessen: Man ist nicht auf der Flucht!

Belohnt ihr euch auch einmal, wenn ihr eine Etappe geschafft habt?

Simone: Selbstverständlich belohne ich mich, gerne mit gutem Essen, einer Flasche Wein und ein bis acht Bier am Ende des Tages dürfen schon sein. Ich genieße es auch, ein paar Tage ohne Laufschuhe unterwegs zu sein, zu entspannen und andere Sachen zu machen wie Bummeln, Kino oder nur Kaffee trinken. Und mit Schlafen, Essen, Yoga und sportfreier Literatur sammle ich Kraft für die nächste Etappe.

Philipp: Ich belohne mich regelmäßig! Wenn ich beispielsweise ein hartes Training hinter mir habe, mache ich mir gerne einen Kaffee und esse irgendetwas Süßes dazu. Da freu ich mich dann schon immer am Ende des Trainings darauf! Ach ja, man glaubt nicht, welche Motivation neue Laufschuhe sind. Da gehen die ersten paar Einheiten fast von selbst.

Stefan: Mein perfektes Belohnungssystem ist Kuchen oder eine leckere Süßspeise.

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